Australien 2017

Tag 5 - Vandy

An diesem Sonntag hatten wir uns mit dem Verkäufer eines Vans verabredet und machten uns nach dem Frühstück auf den Weg. Der Van stand nicht gerade um die Ecke, denn wir hatten für Hin- und Rückfahrt jeweils 2:15 Fahrtzeit: Shellharbour City, südlich von Sydney gelegen. Der Zug musste allerdings vorher noch fast Sydney durchqueren. Deshalb erstmal Musik anmachen und den Blick schweifen lassen. Das Stadtbild änderte sich schon nach kurzer Zeit und den hohen, glänzenden Gebäuden der Innenstadt, folgten kleinere Häuser und die Nachbarschaft änderte sich sichtlich von Minute zu Minute. Hier waren keine Bentleys und Porsches mehr zu sehen, wie noch eine Stunde zuvor nahe unserer Unterkunft in Double Bay. Hier tuckerten eher ältere Volkswagen oder zerbeulte LKWs die Straßen entlang, standen am Straßenrand oder lagen ohne Räder im Gebüsch.

"What does the fox sayy???"

Der Zug fuhr gemächlich weiter und die Häuser und Zäune wichen nach und nach Wald und in den Bäumen umherflatternden Kakadus und Papageien. Die Bewohner dieser Vororte schienen sich nicht wirklich dafür zu interessieren, denn hinter so gut wie jedem Gartenzaun, den man von meiner Position aus sehen konnte, lagen Stühle, Säcke, alte Matratzen oder sonstiger Müll herum. Doch auch dieser Anblick änderte sich nach einiger Zeit und der Zug fuhr nun durch dichtes, bewaldetes Gebiet. Die Schienen bahnten sich ihren Weg durch die zerklüftete Felslandschaft und Tunnel, die durch den schwarzen Stein hindurchführten. Nach und nach wurde es im Zug etwas leerer. Es stiegen entsprechend der Entfernung zu Sydney immer mehr Leute aus als ein und es wurde spürbar ruhiger. Erst als zwei relativ breite Jungs mit einem Rugby einstiegen, wurde es ein kleines bisschen lauter. Aber nicht wie man jetzt vermutlich denkt, dass diese irgendwie rumgepöbelt haben – ganz im Gegenteil. Die beiden fingen an irgendwelche Lieder nachzusingen und lachten sich lautstark darüber kaputt. „Who let the dogs out, whowhowhowhowhowhoooo“ oder „What does the fox say? Rrringdingding“… Warum auch immer. Sie stiegen bald aus und wir hatten ebenfalls keine lange Fahrt mehr vor uns.

Vandy Bild 1

An der Station Oak Flats verließen wir die South Coast Line und kündigten uns bei Albert (aka Berty) unserem Autoverkäufer an. Dieser versicherte uns, er sei in 2 Minuten am Bahnhof und sammelt uns ein. Er kam auch sofort angetuckert und zwar in dem Van, den Robbin sich ausgeguckt hatte. Den Namen hatten wir ja schon in Berlin gefunden. Vandy. Albert, ein etwa 50 jähriger Mann, um die 1,65m groß mit leicht grau meliertem, kurzem lockigem Haar, hielt an, wir begrüßten uns und er nahm uns ein kleines Stück mit, wo der den Van eigentlich geparkt hatte. Dort war auch seine Frau und die Kinder, welche im Auto saßen und warteten. Seine Frau Helen, ebenfalls um die 50, kam auch direkt zu uns herüber. Sie erzählte mir, dass sie im Alter von 21 – 25 auch rumgereist sei, unter anderem in Europa und Kanada und sie sei der Ansicht, dass es die perfekte Zeit ist, bevor man wirklich „sesshaft“ wird, Kinder bekommt und sich später darüber ärgert, es nicht gemacht zu haben. Sie leben immernoch den Surfer Lifestyle, auch wenn es mit Kindern und Arbeit schwieriger geworden ist, doch Camping mit Van und Surfbrett muss auch heute noch sein.

Albert zeigte uns daraufhin alle Features des besagten Vans, klärte uns über die Technik auf und verschwieg uns auch nicht die kleinen Macken. Wir fragten noch ein paar Details und checkten den Motor und alle wichtigen Sachen. Der Van war von außen und innen etwas angestaubt, was für sein Alter aber völlig in Ordnung war. Mit seiner Erstzulassung im Juni 1990 ist der Van nur knapp zwei Monate jünger als ich. Also noch total jung und vor allem genauso knackig. Nachdem wir uns sicher fühlten, wollten wir natürlich auch eine Testfahrt machen. Da Robbin allerdings bisher nicht soviel Auto gefahren war wie ich, sollte ich diese Testfahrt mit dem neuen Gefährt machen. Ich war ja selbst noch nie mit einem Rechtslenker gefahren, darüberhinaus noch nie mit einem Automatikgetriebe, sondern bisher immer nur mit einer manuellen Gangschaltung und mit dem Lenkrad auf der linken Seite. Ich klärte Albert und seine Frau Helen darüber auf und zeigte ihnen außerdem meinen Führerschein. Da der Van am Anfang rückwärts durch eine relativ schmale Einfahrt bugsiert werden musste, setzte sich Albert ans Steuer. Nach ein paar Metern hielt er an, wir tauschten die Plätze und ich setzte mich auf die rechte Seite hinter das Lenkrad.

"We still enjoy the surfer lifetyle. I used to surf every day.. but that was 30 years ago.."

Die Sitzposition war eigentlich relativ angenehm. Das Lenkrad war leicht angekippt, wie bei einem LKW. Die Hebel für Scheibenwischer und Blinker sind in Australien ebenfalls vertauscht, also kam hier eine weitere Abweichung zur gewohnten Bedienung hinzu. „Nich lang schnacken..“, Schalthebel auf „D“ und ab ging die wilde Fahrt. Es war schon ziemlich amüsant muss ich zugeben. Aber ich konnte mir schon vorstellen, mit diesem Van quer durchs Land zu düsen. Im Rückspiegel sah ich drei Autos, die schon leicht drängelten, denn ich fuhr nur um die 40 km/h und ließ diese passieren, indem ich mich soweit es ging nach links einordnete. Ich testete das Lenkradspiel, die Bremsen und auch andere Fahreigenschaften und wir machten uns auf den Weg zurück zur Garage. Dort angekommen musterten wir nochmal den Boden, ob der Van irgendwelche Flüssigkeiten verlor. Dem war nicht so. Wir stellten noch ein paar Fragen, checkten den Innenraum, das Alkovendach, Kühlschrank, Mikrowelle, Gasflaschenanschluß und Wassertank und besprachen uns kurz auf deutsch. Uns fielen ein paar Steinschläge an der Frontscheibe, sowie ein kleiner Riss auf, worauf Albert uns anbot eine Ersatzscheibe gratis mitzugeben. Er hatte sie schon gekauft, aber noch nicht eingebaut. Wir wechselten wieder kurz ins Deutsche und stimmten darin überein, dass ein gut gepflegter, wenn auch älterer Van, der regelmäßig gewartet, bewegt und zu Campingausflügen genutzt wurde, besser sei als irgendein Backpacker Van, der möglicherweise behandelt wurde wie der letzte Schrott.

Vandy Bild 2

Als wir den beiden sagten, wir möchten den Van haben, sah man für eine kurze Sekunde einen Schrecken in den Augen Alberts. Als ob er nicht damit gerechnet hätte sein Schätzchen so schnell abgeben zu müssen. Vielleicht auch, weil er niemals gedacht hätte, dass er zwei Leute so einen Schrotthaufen verkaufen könnte. Aber nein. Wir sind uns ziemlich sicher, dass es ersteres war. Er verkaufte seinen Van auch nur, weil er sich einen günstigen VW T1 (der ganz alte Bulli) besorgt hatte, in den jetzt sein Geld stecken wollte. Diesen hatte für 5000$ (umgerechnet ca. 3300€) im australischen Busch gekauft. Nun gut. Wir fuhren noch kurz zu einem Geldautomaten, um die Anzahlung von 10% zu besorgen und kehrten zum Van zurück. Wir übergaben das Geld, ließen uns eine Quittung und einen vorläufigen Kaufvertrag geben und machten uns auf den Weg zurück zum Bahnhof.

"Turn right, no - not the Wipers.. all right... then turn right later..."

Direkt neben dem Bahnhof war eine Polizeiwache, bei der wir nur mal eben kurz auf die Toilette gehen wollten. Im Eingangsbereich war eine große Metallbank. Auf der linken Seite befand sich eine Scheibe und eine Klingel war davor, die man betätigen solle, wenn man etwas wünsche. Wir drückten den Knopf und es passierte für gefühlte 10 Minuten nichts. Es kam niemand und es war auch niemand zu sehen. Gerade als wir das Gebäude wieder verlassen wollten, kam ein Polizeibeamter und öffnete uns freundlicherweise die Tür. Wir verließen die Station wieder und gingen in Richtung Schienen. Am Bahnhof warteten wir noch auf unseren Zug und düsten dann die gesamte Strecke wieder zurück bis Bondi Junction. Die gesamte Zugfahrt mit insgesamt über 4 Stunden Fahrtzeit kostete 2,60$ pro Person. Wir staunten nicht schlecht und besorgten uns noch etwas zu Essen im Supermarkt. Wir setzten uns auf die Terrasse und suchten nach einem Hostel für die nächsten zwei Nächte, denn wir hatten keine Lust in unserem Shared House zu bleiben. Wir buchten ein sehr zentrales Hostel „Wake Up!“ und kurz darauf ging ich auch schon schlafen.

Song des Tages: Wanda - Lascia mi fare

Wer bei meinem Travelmate vorbeischauen möchte kann dies bei Instagram tun: @outback_robbin.

Zur Blogübersicht
< Zurück zum vorherigen Eintrag Weiter zum nächsten Eintrag >

Instagram, mate.

n.ruegge

Hi, I'm Nils from Berlin, Germany 🇩🇪. Sometimes I take some random pictures, play drums or ride my motorcycle. Cheers! ~Currently in Australia 🇦🇺~

Folge mir